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Reprogrammieren ist nicht gleich Reprogrammieren: Neue MPI-Studie beschreibt Rolle des Proteins Oct4

Guangming Wu, PhD (Foto: MPI Münster/JMK)

Münster - Das Reprogrammieren von Körperzellen zurück zu ‚Alleskönnerzellen’ ist in aller Munde – letztes Jahr erhielten Sir John Gurdon und Shinya Yamanaka für ihre Arbeiten auf diesem Gebiet den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Yamanaka zeigte 2006, dass es möglich ist, Körperzellen mittels vier Faktoren, einer davon Oct4, zur Pluripotenz zu reprogrammieren. Vor gut 40 Jahren hatte Gurdon bereits durch Klonexperimente mit Froscheiern demonstriert, dass sich Körperzellen überhaupt reprogrammieren lassen – und zwar zur Totipotenz. Jetzt haben Wissenschaftler um Hans Schöler vom Max-Planck-Institut (MPI) für molekulare Biomedizin in Münster gezeigt, dass sich die Reprogrammierung durch Faktoren (zur Pluripotenz) und die durch eine Eizelle (sei es durch Befruchtung oder durch Klonen) wesentlich voneinander unterscheiden: Oct4, das Hauptschalter-Protein der Yamanaka-Reprogrammierung, ist nicht erforderlich, um Totipotenz zu etablieren (Nature Cell Biology, online vorab 11. August 2013).
Anders ausgedrückt: Wenn Wissenschaftler Oct4 zu ausgereiften Zellen geben, werden diese zu pluripotenten Alleskönnerzellen reprogrammiert, die embryonalen Stammzellen entsprechen. Aus ihnen können nämlich alle Zelltypen des Körpers entstehen. Oct4 ist aber nicht notwendig für die Entstehung von totipotenten Zellen, also Zellen, die das Potenzial haben, sich zu einem kompletten Organismus zu entwickeln.
„Unsere Studie zeigt, dass das Klonen unabhängig von Oct4 zur Totipotenz führt, wohingegen das Reprogrammieren zur Pluripotenz durch Oct4 überhaupt erst ermöglicht wird“, erläutert Professor Dr. Hans Schöler. „Dies ist eine wichtige Erkenntnis auch in Hinblick auf das Embryonenschutzgesetz. Sie zeigt, dass beide Arten des Reprogrammierens sich grundsätzlich unterscheiden. Durch die Yamanaka-Methode können Körperzellen zu pluripotenten Zellen programmiert werden. Für die Induktion von Totipotenz muss es Mechanismen geben, die unabhängig von Oct4 sind. Wären es dieselben Mechanismen, könnten vielleicht doch bei der Yamanaka-Methode totipotente Zellen entstehen, womit solche Zellen möglicherweise unter das Embryonenschutzgesetz gefallen wären.“
Oct4 wurde schon lange eine wichtige Rolle in der frühsten embryonalen Entwicklung zugeschrieben. Immerhin ist das Protein schon in der Eizelle vorhanden. Um den Einfluss von Oct4 im Übergang von Totipotenz zu Pluripotenz zu untersuchen, musste Oct4 in der Eizelle ausgeschaltet werden. Hierzu züchteten die Forscher am MPI in Münster eine Mauslinie, der das Protein Oct4 fehlt, aber nur in den Eizellen. „Entgegen der langgehegten Annahme, Oct4 sei wichtig für die ersten Entwicklungsschritte, waren die Mäuse ebenso fruchtbar wie die mit Oct4“, so Dr. Guangming Wu, Erstautor der Studie. „Die Fähigkeit, den genetischen Mix von Ei- und Samenzelle zur Totipotenz zu aktivieren – wie es in vivo bei der normalen Befruchtung geschieht – war also nicht beeinträchtigt“, so Wu weiter.
Auch wurde lange angenommen, dass in Zellen des frühen Embryos die Balance zwischen dem Protein Oct4 und seinem Gegenspieler, dem Protein Cdx2, deren Schicksal bestimmt. Durch Oct4, so die Annahme, werden sie zu Zellen des Embryonalknotens (aus dem später der Fötus wird), durch Cdx2 zu Zellen des Trophoblasten (der später Bestandteil der Plazenta ist). Ohne Oct4 müsste eine leere Trophoblastenhülle entstehen. Tatsächlich bildete sich trotz des Fehlens von Oct4 ein Embryo mit einem Embryonalknoten – allerdings verloren die Zellen recht schnell ihre Pluripotenz. Wu erklärt: „Es muss also andere Faktoren geben, die das Schicksal der Zellen im frühen Embryo bestimmen. Welche Faktoren für das Klonen und die Pluripotenz im Embryo entscheidend sind, wird Gegenstand zukünftiger Forschung sein.“

Publikation:
Nature Cell Biology, online vorab: 11. August 2013, doi:10.1038/ncb2816

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