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Die Medizinische Fakultät der WWU im Nationalsozialismus: Vortrag zu den Ergebnissen des DFG-Projektes

Das Kernteam des DFG-Projektes vor dem - im „Dritten Reich“ gebauten - Gebäude des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin: Dr, Ioanna Mamali, Dr. Ursula Ferdinand und Prof. Hans-Peter Kröner (v.l.n.r.; Foto: FZ)

Münster (mfm/mk) – War die münstersche Universitätsmedizin im „Dritten Reich“ eine nazifizierte Hochburg oder wurde sich hier den Nationalsozialisten besonders effektiv verweigert? Diesen Fragen ging das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „Zwischen Verweigerung und Mittäterschaft: Die NS-Zeit an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster“ nach. Die Ergebnisse werden am kommenden Mittwoch (07.11.) im Lehrgebäude der Medizinischen Fakultät in der Albert-Schweitzer-Straße 22 vorgestellt.
Drei Jahre lang haben die Wissenschaftler unter Leitung des Medizinhistorikers Prof. Hans-Peter Kröner die Vorgänge sowie die Biografien der Akteure erforscht. Sie kommen zu dem Schluss, dass die münstersche Fakultät einen durchschnittlichen Fall für die universitäre Medizin im Nationalsozialismus darstellt. „In Münster wurde sich den Nationalsozialisten nicht verweigert, aber man kann die Fakultät auch nicht als Hochburg der nationalsozialistischen Wissenschaft bezeichnen“, resümiert Kröner. Es habe zwar vielerlei Kooperationen und wenig Widerstand gegen die Nazifizierung der Wissenschaft und Universität gegeben – dies sei aber eben kein Sonderfall, sondern die Regel im „Dritten Reich“ gewesen.
So seien in Münster regelmäßig sowie mit Begeisterung rassenhygienisch motivierte Zwangssterilisationen vorgenommen worden und jüdische Wissenschaftler wurden vertrieben, berichtet Prof. Kröner. Dazu gehörte zum Beispiel der auch international äußerst renommierte Augenarzt Prof. Aurel von Szily, der als gebürtiger Ungar die Uni-Augenklinik leitete. Hier allerdings liege ein Besonderheit vor, so Kröner: Internationale Forscher hätten einen enormen Druck auf das Reichsinnenministerium ausgeübt, so dass Hitler selbst schließlich angeordnet habe, die Zwangsentlassung in eine ordentliche Emeritierung umzuwandeln, sagt Kröner. Diese sei unter anderem mit einem Ruhegehalt verbunden gewesen. Da ihm aber alle weiteren Arbeitsmöglichkeiten versagt wurden, kehrte von Szily schließlich nach Ungarn zurück, wo er kurz vor Kriegsende verstarb. Bei Heinrich Herzog, Dekan von 1931 bis 1932, der mit einer Jüdin verheiratet war, versuchten der Rektor und der Führer der Dozentenschaft zwar, den Wissenschaftler in Münster zu halten, waren aber nicht erfolgreich. Der Pharmakologe Hermann Freund schließlich wurde nach seiner Zwangsentlassung in Auschwitz ermordet.
Ein Beispiel dafür, wie sehr die Medizinische Fakultät teilweise den nationalsozialistischen Idealen verschrieben war, bildet die Berufung von Otmar von Verschuer auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für Humangenetik im Jahr 1951. Ein Lehrstuhl für Erbbiologie und Rassenlehre war der Fakultät vor Kriegsende in Aussicht gestellt worden, dieses Versprechen wurde jedoch nie eingelöst – bis 1951, also sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und des NS-Regimes. „Mit Otmar von Verschuer zog einer der führenden Rassengenetiker des ‚Dritten Reiches‘ in die Fakultät ein“, berichtet Kröner. Von Verschuer war als Humangenetiker und Zwillingsforscher im Nationalsozialismus äußerst erfolgreich, schaffte es aber, bei der Entnazifizierung nur als „Mitläufer“ eingestuft zu werden und leitete sogar als Dekan ein Jahr lang die Geschicke der Medizinischen Fakultät.
Diese und weitere Fälle von Mitläufern, Tätern und Verfolgten stellen Prof. Kröner und seine beiden Mitarbeiterinnen Dr. Ursula Ferdinand und Dr, Ioanna Mamali in der Veranstaltung am Mittwoch vor. Die Wissenschaftler beantworten nach den Vorträgen, die offen sind für alle Interessenten und um 16.15 Uhr im Hörsaal L 30 im Lehrgebäude der Medizinischen Fakultät beginnen, gerne Fragen des Auditoriums. Diskussionsstoff sollte reichlich vorhanden sein, denn, wie Prof. Kröner sagt: „Hier ist keine Schwarz-Weiß-Zeichnung möglich; die Medizinische Fakultät Münster gibt im Nationalsozialismus ein sehr differenziertes Bild ab.“
Neben den Aufsätzen, die das Projektteam zum soeben erschienenen Überblicksband zur NS-Geschichte der Universität Münster beigesteuert hat, bereitet das Team ein ganzes Bündel weiterer Veröffentlichungen vor. Dazu gehören allein acht Doktorarbeiten und eine Masterarbeit über zentrale Kliniken, Institute und Personen.

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