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Unkontrolliertes Wachstum von Blutgefäßen: MPI-Forscher entdecken Steuermechanismus sowie Hinweise auf Umgehung von Medikamentenresistenzen bei Tumoren
Münster - Die Bildung neuer Blutgefäße ist ein komplexer Prozess, bei dem unterschiedliche Signalproteine genau aufeinander abgestimmt miteinander wechselwirken. Große Bedeutung haben dabei der Wachstumsfaktor VEGF sowie der Notch-Signalweg. VEGF fördert das Wachstum der Blutgefäße, indem er an den Rezeptor VEGFR2 bindet; der Notch-Signalweg wirkt wie ein Schalter, mit dem die Blutgefäßbildung unterdrückt werden kann. Bisher gingen Forscher davon aus, dass Notch dazu VEGFR2 herunter reguliert und damit das VEGF Signal abschaltet. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin (MPI) in Münster haben jetzt in Kooperation mit der Universität Münster gezeigt, dass ein defekter Notch-Signalweg Blutgefäße auch dann unkontrolliert wachsen lässt, wenn zugleich die Funktion von VEGF oder VEGFR2 blockiert wird.
In diesem Fall wird ein anderer, verwandter Rezeptor namens VEGFR3 hochreguliert um dann die Vermehrung der Blutgefäße zu fördern. „Diese Erkenntnis könnte die Hintergründe für Medikamentenresistenzen bei bestimmten Tumorbehandlungen erklären und die Basis für neue Strategien werden, wie derartige Resistenz-Probleme in der Praxis zukünftig umgangen werden können", betont Professor Dr. Ralf Adams, geschäftsführender Direktor am MPI und Leiter der Abteilung Gewebebiologie und Morphogenese. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Max-Planck-Wissenschaftler jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“.
Ein fein verästeltes Netzwerk aus Blutgefäßen versorgt alle Organe des Menschen mit Nährstoffen und entfernt schädliche Stoffwechselprodukte aus den Geweben. Das Wachstum dieses Gefäßsystems ist für alle Entwicklungs- und Heilungsprozesse von größter Bedeutung. Umgekehrt kann unkontrolliertes Blutgefäßwachstum auch Krankheitsprozesse fördern – so wie beispielsweise Hämangiomen, schwammartigen Gefäßwucherungen in der Haut, oder Retinopathien im Auge von Diabetikern und alternden Menschen.
In der Krebstherapie wird häufig die Blutgefäßneubildung gehemmt, um die Versorgung von Tumoren sowie die Metastasierung über die Blutzirkulation zu unterbinden. Dazu werden der Wachstumsfaktor VEGF oder sein Rezeptor VEGFR2 blockiert: Bei schlechter Sauerstoffversorgung setzen Gewebe VEGF frei. Der Wachstumsfaktor bindet an den Rezeptor VEGFR2 und aktiviert ihn. Dadurch wird die Vermehrung der Blutgefäße ausgelöst. Eine Blockierung von VEGF oder VEGFR2 drosselt also das Blutgefäßwachstum. Manche Patienten sprechen allerdings schlecht oder gar nicht auf die Hemmung von VEGF oder VEGFR2 an, wobei die Gründe dafür noch unverstanden sind.
Dr. Rui Benedito, Postdoktorand in Adams Abteilung, konnte jetzt an Mausaugen zeigen, dass Blutgefäße durch Ausschalten des Notch-Signalwegs, eines steuernden Regelkreises, auch ohne die Aktivität von VEGF/VEGFR2 wachsen können. „In einem solchen Fall fördert dann ein weiterer, verwandter Rezeptor namens VEGFR3 die unkontrollierte Vermehrung von Blutgefäßen im Mausauge", erklärt Benedito. VEGFR3 wird durch das Fehlen von „Notch“ in den Gefäßen sehr stark hochgeregelt und ist dann auch ohne Signale aus der Gewebeumgebung aktiv.
„In weiteren Arbeiten wollen wir untersuchen, ob VEGFR3 und andere Notch-regulierte Signale eine VEGF-unabhängige Neubildung von Blutgefäßen bei Augen- oder Krebserkrankungen nicht nur bei der Maus sondern auch beim Menschen fördern können“, beschreibt Ralf Adams seine Pläne: „Möglicherweise wäre dann sogar vorhersagbar, ob Patienten, je nach dem Aktivierungsstatus von Notch in ihren Gefäßen, gut oder schlecht auf die Hemmung von VEGF oder VEGFR2 ansprechen werden. Entsprechend könnten bei Bedarf dann andere, erfolgversprechendere Therapieansätze gewählt werden." Auch dafür sei die Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät und der Universität in Münster essentiell, so Adams weiter: „Seitens der Universität wird unsere Arbeit maßgeblich unterstützt und gefördert.“
"Nature"-Publikation:
Notch-dependent VEGFR3 upregulation allows angiogenesis without VEGF–VEGFR2 signalling.Rui Benedito, Susana F. Rocha, Marina Woeste, Martin Zamykal, Freddy Radtke, Oriol Casanovas, Antonio Duarte, Bronislaw Pytowski & Ralf H. Adams, DOI: 10.1038/nature10908 (erscheint in der Print-Ausgabe am 5. April 2012)
In diesem Fall wird ein anderer, verwandter Rezeptor namens VEGFR3 hochreguliert um dann die Vermehrung der Blutgefäße zu fördern. „Diese Erkenntnis könnte die Hintergründe für Medikamentenresistenzen bei bestimmten Tumorbehandlungen erklären und die Basis für neue Strategien werden, wie derartige Resistenz-Probleme in der Praxis zukünftig umgangen werden können", betont Professor Dr. Ralf Adams, geschäftsführender Direktor am MPI und Leiter der Abteilung Gewebebiologie und Morphogenese. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Max-Planck-Wissenschaftler jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“.
Ein fein verästeltes Netzwerk aus Blutgefäßen versorgt alle Organe des Menschen mit Nährstoffen und entfernt schädliche Stoffwechselprodukte aus den Geweben. Das Wachstum dieses Gefäßsystems ist für alle Entwicklungs- und Heilungsprozesse von größter Bedeutung. Umgekehrt kann unkontrolliertes Blutgefäßwachstum auch Krankheitsprozesse fördern – so wie beispielsweise Hämangiomen, schwammartigen Gefäßwucherungen in der Haut, oder Retinopathien im Auge von Diabetikern und alternden Menschen.
In der Krebstherapie wird häufig die Blutgefäßneubildung gehemmt, um die Versorgung von Tumoren sowie die Metastasierung über die Blutzirkulation zu unterbinden. Dazu werden der Wachstumsfaktor VEGF oder sein Rezeptor VEGFR2 blockiert: Bei schlechter Sauerstoffversorgung setzen Gewebe VEGF frei. Der Wachstumsfaktor bindet an den Rezeptor VEGFR2 und aktiviert ihn. Dadurch wird die Vermehrung der Blutgefäße ausgelöst. Eine Blockierung von VEGF oder VEGFR2 drosselt also das Blutgefäßwachstum. Manche Patienten sprechen allerdings schlecht oder gar nicht auf die Hemmung von VEGF oder VEGFR2 an, wobei die Gründe dafür noch unverstanden sind.
Dr. Rui Benedito, Postdoktorand in Adams Abteilung, konnte jetzt an Mausaugen zeigen, dass Blutgefäße durch Ausschalten des Notch-Signalwegs, eines steuernden Regelkreises, auch ohne die Aktivität von VEGF/VEGFR2 wachsen können. „In einem solchen Fall fördert dann ein weiterer, verwandter Rezeptor namens VEGFR3 die unkontrollierte Vermehrung von Blutgefäßen im Mausauge", erklärt Benedito. VEGFR3 wird durch das Fehlen von „Notch“ in den Gefäßen sehr stark hochgeregelt und ist dann auch ohne Signale aus der Gewebeumgebung aktiv.
„In weiteren Arbeiten wollen wir untersuchen, ob VEGFR3 und andere Notch-regulierte Signale eine VEGF-unabhängige Neubildung von Blutgefäßen bei Augen- oder Krebserkrankungen nicht nur bei der Maus sondern auch beim Menschen fördern können“, beschreibt Ralf Adams seine Pläne: „Möglicherweise wäre dann sogar vorhersagbar, ob Patienten, je nach dem Aktivierungsstatus von Notch in ihren Gefäßen, gut oder schlecht auf die Hemmung von VEGF oder VEGFR2 ansprechen werden. Entsprechend könnten bei Bedarf dann andere, erfolgversprechendere Therapieansätze gewählt werden." Auch dafür sei die Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät und der Universität in Münster essentiell, so Adams weiter: „Seitens der Universität wird unsere Arbeit maßgeblich unterstützt und gefördert.“
"Nature"-Publikation:
Notch-dependent VEGFR3 upregulation allows angiogenesis without VEGF–VEGFR2 signalling.Rui Benedito, Susana F. Rocha, Marina Woeste, Martin Zamykal, Freddy Radtke, Oriol Casanovas, Antonio Duarte, Bronislaw Pytowski & Ralf H. Adams, DOI: 10.1038/nature10908 (erscheint in der Print-Ausgabe am 5. April 2012)