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Extrem klein - und auch gefährlich? Startschuss für EU-Großprojekt zu Risiken der Nanotechnologie

Nanopartikel werden im Labor des Biomedizinischen Technologiezentrums für Zellkulturexperimente abgewogen (Foto: WWU/BioMedTech)

Münster (mfm/tw) – Kratzfeste Lacke, selbstreinigende Fensterscheiben, durchsichtige Sonnencremes und geruchshemmende Hemden: Immer mehr Alltagsprodukte enthalten Nanopartikel, die sie robuster, pflegeleichter oder auf andere Art praktischer machen. Die Partikel sind nur wenige Nanometer – das sind Millionstel Millimeter – klein. Die Winzigkeit birgt Risiken: Je kleiner Teilchen sind, desto leichter gelangen sie durch Haut und Atemwege tief in den Körper von Mensch und Tier. Die Europäische Union hat ein Großprojekt gestartet, in dem offene Fragen interdisziplinär behandelt werden. Aus Münster beteiligen sich daran gleich zwei Institutionen: das Biomedizinische Technologiezentrum (BioMedTech) der Medizinischen Fakultät der Universität Münster sowie die European Research Services GmbH, eine Ausgründung der Hochschule.
„In den vergangenen Jahren haben Forschergruppen unterschiedlicher Disziplinen mögliche Risiken von Nanomaterialien untersucht“, erläutert Dr. Jürgen Schnekenburger vom Biomedizinischen Technologiezentrum: „Es fehlt aber an allgemein akzeptierten Verfahren zum Test, zur Bewertung und zum Mangement von Risiken.“ Gerade Nanomaterialien könnten nicht mit den etablierten Verfahren zur Beurteilung von Chemikalien getestet werden. Der Projektname MARINA steht hier weder für einen Vornamen noch für einen Yachthafen; er ist ein Akronym für „Managing Risks of Nanoparticles“. 47 Partner arbeiten daran mit – aus der Molekularbiologie, der Informatik, der Produktion und Charakterisierung von Nanopartikeln, der Human- und Umwelt-Toxikologie und dem Risikomanagement. Neun der Projektpartner kommen aus Deutschland. Ziel ist die Erarbeitung von Referenzmethoden über den gesamten Lebenszyklus von Nanopartikeln, von der Herstellung über den Verbraucherschutz bis hin zum Recycling.
BioMedTech-Leiter Dr. Jürgen Schnekenburger entwickelt mit seinem Team In-vitro-Referenztests für die Humantoxikologie. Seine Methoden ermöglichen bessere Vorhersagen von schädlichen Effekten und tragen zum Verständnis bei, welche spezifischen Eigenschaften von Nanopartikeln unerwünschte Reaktionen auslösen. So wird die Verbrauchersicherheit verbessert, Tierversuche werden reduziert, und den Industriepartnern im Projekt werden Anhaltspunkte für verbesserte Produktionsverfahren geboten. Das Biomedizinische Technologiezentrum bringt die Erfahrung aus mittlerweile fünf großen Forschungsprojekten zur Nanotoxikologie in MARINA ein.
Das Projektmanagement übernimmt die European Research Services GmbH, eine Ausgründung der WWU Münster. „MARINA ist unser drittes Projekt im Bereich Nanosicherheit“, sagt  Geschäftsführer Oliver Panzer – „und das weitaus größte der sieben Projekte, an denen wir uns aktuell als Partner beteiligen. MARINA ist aber nicht einfach nur groß: In MARINA arbeiten Forscher zusammen, die ganz verschiedene Ansätze verfolgen und unterschiedliche Fachsprachen sprechen.“ Damit die Bereiche erfolgreich zusammenfinden, geht MARINA neue Wege in der Projektsteuerung: „Wir versuchen erstmals, für das Forschungsprojekt Prozessmanagement nach Industriestandards zu etablieren.“
Da MARINA weltweit wirken soll, hat die EU der Beteiligung außereuropäischer Partner zugestimmt. Die USA, Indien, Singapur und Kanada nehmen beratend teil, das Institute for Biochemistry der Russischen Akademie der Wissenschaften (INBI),  das Japanische National Institute for Materials Science (NIMS) und das Chinesische National Center for Nanoscience and Technology (NCNST) beteiligen sich als vollwertige Partner. Mit Prof. Chunying Chen vom NCNST kooperiert die Universität Münster bereits erfolgreich.

Hintergrund:
MARINA läuft über vier Jahre mit einem Gesamtumfang von 12,5 Millionen Euro, davon kommen neun Millionen Euro aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union. Die Projektleiter sind Dr. Lang Tran vom Institute of Occupational Medicine (UK) und Dr. Janeck J. Scott-Fordsmand vom Dänischen National Environmental Research Institute an der Universität Aarhus.

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