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Keimzellen und Kinderwunsch: DFG bewilligt 4,8 Millionen Euro für Forschung zur künstlichen Befruchtung

Die Mechanismen, Möglichkeiten und Risiken künstlicher Befruchtung genauer zu untersuchen ist das Ziel von Prof. Stefan Schlatt, Prof. Jörg Gromoll, Prof. Sabine Kliesch (alle: CeRA) und Prof. Hans Schöler (MPI; v.l.) von der FOR 1041 (Foto: tw)

Münster (mfm/tw) - Fast fünf Millionen Euro für die zweite Halbzeit: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Forschergruppe „Germ Cell Potential“ (Keimzellpotenzial) für weitere drei Jahre. Seit 2008 beschäftigt diese sich mit Fragen zur künstlichen Befruchtung – die wird zwar seit Jahrzehnten weltweit angewandt, doch ist der wissenschaftliche Hintergrund weitgehend unbekannt. Wissenschaftler aus sechs deutschen Städten arbeiten in der Forschergruppe mit der DFG-Bezeichnung FOR 1041 mit, der Schwerpunkt liegt mit sechs Projekten in Münster; dafür fließen in den nächsten Jahren insgesamt zwei Millionen Euro an das Institut für Humangenetik und das Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie („Männerheilkunde“, Gegenpart der Gynäkologie; kurz: CeRA) der Universität sowie an das Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin (MPI) in Münster.
„Für die künstliche Befruchtung werden seit 30 Jahren Methoden verwendet, die wissenschaftlich kaum untersucht sind“, sagt der Forschergruppen-Sprecher Prof. Dr. Jörg Gromoll vom CeRA: „Viele Firmen verdienen damit gutes Geld. Die möglichen Risiken der derzeit angewendeten Techniken oder Behandlungen für die geborenen Kinder und für die behandelten Paare sind aber derzeit nicht genau bekannt.“ Zwei bis drei Prozent aller Babys werden in Deutschland durch künstliche Befruchtung (ART, für: „assistierte Reproduktion“) gezeugt; der Anteil steigt. Laut Gromoll liegt das vor allem daran, dass der Kinderwunsch immer weiter nach hinten rückt, mit steigendem Alter aber auch das das Risiko wächst, dass es damit nicht klappt.
Die DFG-Forschergruppe „Germ Cell Potential“ untersucht das ganze Spektrum der künstlichen Befruchtung von der Keimzelle bis hin zur Geburt des Kindes. Die Teilprojekte befassen sich mit der Qualität der Eizelle, den genetischen Ursachen der Unfruchtbarkeit, aber auch mit dem Potenzial von Stammzellen, beispielsweise solchen aus dem Hoden, als mögliche Alternative zu Spermien. Auch die Entstehung von Eizellen aus embryonalen Stammzellen ist Forschungsgegenstand. In einer klinischen Langzeitstudie werden über drei Jahre hinweg die möglichen Folgen von Behandlungen im Rahmen einer ART auf den Nachwuchs untersucht.
Dabei verfolgt die Forschungsgruppe ausdrücklich auch strategische und politische Ziele, ergänzt CeRA-Kollege Prof. Dr. Stefan Schlatt: „Wir haben in den ersten drei Jahren erstmals ein deutschlandweites Netzwerk von Wissenschaftlern und Klinikern geschaffen, deren Arbeit die Fortpflanzung bei Mensch und Tier zum Schwerpunkt hat. Politisch haben wir erreicht, dass die Reproduktionsmedizin ab 2011 mit einem eigenen Fachkollegiat in der DFG verankert wird.“ Die münsterschen Projekte werden – neben Gromoll und Schlatt – von Prof. Dr. Hans Schöler (MPI) sowie Prof. Dr. Peter Wieacker und Dr. Frank Tüttelmann (beide: Institut für Humangenetik) betreut. Die Daten und Patienten für sämtliche klinischen Projekte zur männlichen Keimzelle stammen aus der Klinik von CeRA-Chefärztin Prof. Sabine Kliesch, die daher Mitantragstellerin war.
Inhaltlich fanden die Forscher bisher unter anderem heraus, dass männliche Unfruchtbarkeit stark mit epigenetischen Veränderungen einhergeht – also mit vererbbaren Zelleigenschaften, die nicht über die DNA weitergegeben werden, sondern über Modifikationen von DNA wie beispielsweise Methylierung. Außerdem zeigte sich, dass Forschungsergebnisse von Mäusen in diesem Bereich nicht auf den Menschen übertragbar sind, was ansonsten häufig funktioniert: „Die Hoden-Stammzellen bei Mäusen sehen physiologisch ganz anders aus als bei Affen und Menschen, das macht die Forschung kompliziert.“ Der wissenschaftliche „Ausstoß“ der Forschergruppe umfasst schon jetzt, nach den ersten drei Jahren, 25 Fachpublikationen, viele weitere sind laut Gromoll in Arbeit.
2014 endet die DFG-Förderung; eine Verlängerung über sechs Jahre hinaus ist bei Forschergruppen nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Gromolls Überlegungen reichen aber weiter: „Mit zwölf Projekten liegen wir deutlich über den üblichen Forschergruppen“, so der Koordinator: „FOR 1041 spielt in einer Liga mit kleinen Sonderforschungsbereichen. Einen solchen SFB wollen wir in Münster etablieren und damit den bestehenden Forschungsschwerpunkt an der Medizinischen Fakultät der Universität noch weiter stärken.“ Weitere Informationen zu der Forschergruppe bietet die Internetseite https://www.germ-cell-potential.de.

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